Schmidt an der Ilm

"Wieland Goethe Schmidt" heißt eine Kabinettausstellung, die z. Z. im Wielandgut Oßmannstedt zu sehen ist.

Rettet das Semikolon: die Regionalbahn ist trotz Bauarbeiten pünktlich; die Wochenend-TAZ bringt drei Seiten über öffentliches Pinkeln in Berlin und eine Seite über junge Literaten in Hildesheim, die ständig von Relevanz reden, aber nicht im Geringsten ahnen, was das sein könnte - 3,50 € kostet diese Postille inzwischen. Oßmannstedt also im Arno-Schmidt-Fieber; aber zuerst sehen wir uns die Schau zu Leben und Werk Christoph Martin Wielands im Obergeschoss an: sehr informativ; die richtige Dosis Original-Exponate; angenehm auch das Lese-Zimmerchen mit diversen Wieland-Bänden zum Anfassen und Schmökern. Im Erdgeschoss dann die "Kabinettausstellung", die nicht in einem Kabinett, sondern im Gartensaal gezeigt wird.

Kabinett links

Es gibt auch keine Kabinett-Stückchen zu sehen, überhaupt keine Original-Exponate, nur von hinten beleuchtete Folien, zwei Monitore mit Laufschrift, ein paar Kopfhörer, das war's. Und immer geht es darum, wer Nachruhm-technisch "den Längeren" hat; was bei Schmidt eher nebenher abgehandelt wurde, wird hier zur Hauptsache. Auch an den Hörplätzen keine Originale, immer nur die Pedanten- und Meckerstimmen des kuratierenden Millionärs, seiner Angestellten und seines Rechtsanwalts. Die Regieanweisungen Schmidts werden konsequent ignoriert, man spricht zwar gut akzentuiert, aber alles wird in einer Tonlage und Geschwindigkeit heruntergebetet; es klingt wie ein hanseatischer Gemeindekirchenrat, der für die Armen aus der Weihnachtsgeschichte vorliest; das ist der Fluch der privatisierten Erbepflege!

Kabinett rechts

"Wenn es der Millionär nicht an sich gezogen hätte, würde es überhaupt niemand machen", meint mein versöhnlerischer Begleiter. Ja wahrscheinlich; aber dieses Gefilterte, immer auf Imagetransfer Schielende nervt. Die wenigen Original-Exponate werden anderenorts im Einsatz sein, aber wenigstens die alten ARD-Hörstücke wären mit überschaubarem Aufwand verfügbar gewesen; etwa "Wieland oder die Prosaformen" in der SDR-Produktion von 1957; Regisseur war Imo Wilimzig, in den Rollen der Gesprächspartner der knorrige Erz-Schauspieler Hans-Helmut Dickow und der damals noch junge Joachim Engel-Denis (der "Playboy" aus den "Hesselbachs").

Grab

Der Park wird immer mehr mit teurem Baumschulen-Material zugepflanzt; es gibt sorgsam geharkte Kieswege. Mitte der 1980er Jahre war ich schon einmal hier; auf der Ilmwiese weideten Kühe; damals konnte ich mit dem Motorrad über schwer zerfurchte Feldwege bis fast an Wielands Grab heranfahren. Das Efeublatt von damals ging verloren; macht nichts, nehmen wir einfach ein neues. Die Zeiten ändern sich; zum Glück; das Ende der Geschichte ist weiter denn je.

Efeu

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Kommentare: 1
  • #1

    Erhart Eller (Dienstag, 10 Juni 2014 19:15)

    Ich fand die Dauer-Ausstellung sehr sehenswert, die Sonderausstellung durchaus zum angucken bzw -hören, soo schlecht war sie nicht. Wenn es auch an Original-Stücken gefehlt hat - ich konnte Erkenntnis mitnehmen.
    Auch ich hätte mir etwas aus dem und über das Hörspiel-Schaffen von Arno Schmidt gewünscht. Und es ist nun einmal so: Wenn der öffentliche Kunstbetrieb auf dem Rückzug ist, bringen sich gut betuchte Privatiers in Stellung. Das ist jedenfalls besser als gar nichts.